EYES HALF SHUT - Ein Hosenscheißer traut sich auf's SLASH
Prolog: Warum ich mich anscheiß und den Scheiß trotzdem mach

von Otto Römisch
„Wie kann man Filme lieben und einen Bogen um ein so wichtiges Genre wie Horror machen?“ Aus demselben Grund warum ich keine Panini Pickerl mehr während der WM sammle: ich werd die Bilder einfach nimmer los. Die Fratzen, die Zerkratzten, die Zerschlitzten, die Zernagelten, die Zerfetzten, die Zersetzten, die Geschredderten, die Geköpften, die Geritzten, die Maskierten, die Ruinierten, die Geschundenen, die Gelbblauen, die Genähten, die Vergrabenen, die Ausgegrabenen, die Angenagten, die Ausgelaugten, die Gegessenen, die Besessenen, die Puppen, die Clowns und... die Kinder die einen komisch anschauen.
Diese Angst vor dem (nennen wir es zwecks der Zusammenfassung) Grauslichen, geht eindeutig auf die Sommerwochen meiner Kindheit zurück, die ich bei meiner Oma verbracht habe. Alleingelassen in der Obhut meines fiesen, sadistischen Onkels. Ein bissl zu jung um sich der Konsequenzen seiner Handlungen im Klaren zu sein, aber alt genug um auf den kleinen Neffen aufzupassen. Wenn halt grad sonst niemand Zeit hat. Er hatte meistens Zeit, aber selten Lust. Und so hat er sich gedacht, passen halt die Poster in seinem dunklen Zimmer auf mich auf, während er sich den Leidenschaften seiner Pubertät hingegeben hat: Atari und Masturbation. Freddy Krueger wird in der Zwischenzeit schon schauen, dass ich mich nicht an den kleinen Legoteilen verschluck, Leatherface wird mir bestimmt was vorlesen und Pinhead sorgt garantiert dafür, dass ich rechtzeitig ins Bett komme. Zu seiner Ehrenrettung: Mein Onkel hat es bestimmt nicht bös gemeint. Er war halt Fan und die wenigsten 16 jährigen in den 1980ern (oder überhaupt irgendwann) haben sich mit Pädagogik auseinandersetzen wollen. Vielleicht hätte ich diese Schreckensfiguren ja auch liebgewinnen können, wenn ich diese Welt in meinem Tempo entdecken hätte dürfen.
Außerdem bin ich super schreckhaft. Erst vor kurzem bin ich aus dem Lift daheim ausgestiegen und im selben Moment ist meine liebe Nachbarin um die Ecke gekommen und hat „Hallo Otto“ gesagt. Ich glaub sogar in dem für sie typischen, angenehm ruhigen Tonfall. Meine Antwort war ein hysterisches „FUCK!“ eine Hand auf der Brust, darunter ein wild pumperndes Herz, die andere Hand auf der Stirn, erstaunlich schnell von Angstschweiß durchnässt. Sie hat gelacht und ich auch. Aber dieses Lachen war eine Lüge. Gedacht hab ich mir „Wie konntest du nur?“ Wer bisher mit mir zusammengelebt hat, musste sich daran gewöhnen, immer ein kleines Glöckchen zu tragen, damit ich vorgewar... Ja ok, das stimmt jetzt nicht. Aber generell macht mir das unberechenbar Unvorhersehbare schon auch Angst. Und mir ist eh bewusst, dass Horror mehr kann als Jump-Scare, aber das ist schon nach wie vor ein beliebtes Tool, hab ich mir sagen lassen.
Und wenn man das Schirche und das garstig Geschnittene weglässt, bleibt trotzdem noch immer das schlimmste im Horrorfilm: das Böse, das wir nur erahnen. Die Kamera auf dem Gesicht des Dorfältesten, der nur von Huibui erzählt und ich darf Gott für die Erwachsenenwindel danken.
Und die Leute, die über solche Ängste nur lachen können, weil sie doch bitteschön Realität und Film voneinander unterscheiden können, weil ‚Geh bitte das ist ja nur Gelée und Make-Up‘, diese Leute haben sich noch nie in einem dunklen Saal auf Spielfilmlänge wirklich in der großen Leinwand verloren. Das sind die Leute vor denen ich die meiste Angst hab.
Warum also tu ich mir das an, mich diesem Wahnsinn auszuliefern und für zehn Tage in Dauerangst zu versetzen? Weil ich die ‚journalistische Herausforderung‘ liebe? Weil ich mich meinen Ängsten stellen möchte? Weil ich mich am liebsten mit Leuten umgebe, die für ihre Leidenschaft brennen und kaum ein anderes Festival ebensolche anzieht? Weil ich in einem schwachen Moment zugesagt habe? Weil ich gern gratis ins Kino gehe? Ja, ja, ja, ja und hell yeah.
FUCK!
Wenn du wissen willst, wie es Hosenscheißer-Otto mit den ersten Filmen des SLASH Filmfestivals gegangen ist, dann kannst du hier weiterlesen.