HIDDEN SLASH-GEMS: 3 Filmtipps fürs SLASH Filmfestival 2021

©SLASH Filmfestival
von Julian Stockinger
Am 23. September startet das SLASH Filmfestival, das bis einschließlich 3. Oktober in den Wiener Kinos Stadtkino, Filmcasino, Metro Kinokulturhaus und schikaneder für mitunter Gänsehäute, Brechreize und Lachanfälle sorgen wird. Soviel garantiert! Wenn letztes Jahr noch so manche coronabedingte Kinostart-Verschiebung bedauert wurde, erweckt das diesjährige Programm den Anschein, als sei diese Geschichte mit dem Virus endgültig erledigt (we wish). Es finden sich nämlich wahrlich große Namen unter den Regisseur*innen und heiß ersehnte Streifen im Programm. Vom radikalen Eröffnungsfilm TITANE, für den die französische Regisseurin Julia Ducournau (RAW) die Goldene Palme mit nachhause tragen durfte, über surreale Werke von den Grenzgängern Sion Sono und Bertrand Mandico, bis hin zu Filmen von im Mainstream längst angekommenen Größen, wie Ben Wheatley. Von der 14 Filme umfassenden Retrospektive zum Thema Folk-Horror gar nicht zu sprechen! Bei diesen vielen (zugegeben ziemlich geilen) Highlights, besteht allerdings auch die Gefahr, dass so manche Perle des Programms unentdeckt bleibt. Im Folgenden sollen deswegen drei Filme vorgestellt werden, bei denen sich ein Besuch definitiv lohnt.
Tentakelsex & Zigarettenrauch: EXTRANEOUS MATTER -COMPLETE EDITION-
Zugegeben, es gibt Filmtitel, die es dem Publikum leichter machen, als dieser japanische Episodenfilm von Kenichi Ugana, der den Beinamen -COMPLETE EDITION- trägt, weil es von ihm bereits einen gleichnamigen Kurzfilm gibt. Wie dem auch sei, der knackige Streifen in schwarz/weiß, der nichtmal an 70 Minuten kratzt, besteht aus drei Teilen, die sich alle um ein seltsames Wesen drehen. Dieses tritt urplötzlich auf der Erde in Erscheinung und bringt so manchen Hormonhaushalt durcheinander. Zum Beispiel den einer jungen Frau, die das Monster mit den vielen Tentakeln und der Gabe, Menschen sexuell zu erregen, eines Tages in ihrem Wandschrank findet. Ihre Bemühungen, es vor ihren Kolleginnen, die sie im Gruppen-Homeoffice empfängt, geheim zu halten, erweisen sich als sinnlos, denn auch sie werden vom Wesen an- und in weiterer Folge ausgezogen. Doch nicht nur Frauen stehen auf das außerirdische Viech, wie die zwei weiteren Episoden beweisen werden.
Beim Schauen des Streifens drängen sich gleich mehrere Assoziationen zu anderen Filmen auf. Die Idee, dass ein fremder Organismus in einem Wohnhaus auf das Sexverhalten von Menschen einwirkt, lässt natürlich Erinnerungen an Cronenbergs Bodyhorror-Debüt SHIVERS wach werden. Spiellänge, Farbe und Setting erinnern wiederum teils an TETSUO: THE IRON MAN von Tsukamoto, auch wenn in Uganas Episodenfilm die "Verschmelzung" nicht mit Maschinen stattfindet. Aber selbst an moderne Arthouse-Klassiker wie Jarmuschs COFFEE & CIGARETTES muss man denken, alleine aufgrund der Tatsache, dass so unheimlich viel getschickt und (statt Kaffee) Tee getrunken wird - ganz besonders in der zweiten Episode des Films. Also ja, in dem sehr kurzen Streifen steckt viel drin und nicht nur das macht ihn zu einem kleinen Highlight des diesjährigen Programms. EXTRANEOUS MATTER -COMPLETE EDITION- ist, so seltsam sich die Story auch anhört, ein sehr zärtlicher Film, der die eh schon lang relevanten, aber seit Pandemiebeginn ultrarelevanten Themen Nähe, Distanz und Einsamkeit in der Großstadt anspricht. Dabei versetzt der Film vielleicht keine Berge, aber sorgt definitiv für eine gute Zeit at the movies.
EXTRANEOUS MATTER -COMPLETE EDITION- gibt es ein einziges Mal, am 24.9. um 23 Uhr im schikaneder zu sehen. Hier geht's zu den Tickets!
Once upon a fish: TZAREVNA SCALING
Anders, aber nicht weniger fantastisch, geht es in dem knallbunten Antimärchen TZAREVNA SCALING von der russischen Regisseurin Uldus Bakhtiozina zu. Die Protagonistin ist eine tagsüber etwas verpeilte, weil nachts schlaflose Mitarbeiterin eines Fische-auf-Rädern-Geschäfts, die dort auf eine seltsame, alte Frau trifft. Diese dreht ihr einen magischen Tee an und verspricht, dass sie damit wie die Tochter eines Zars schlafen und die Nacht zum Märchen werde. In beiden Belangen behält sie Recht, weil wir uns fortan in einer Welt bewegen, bei der es sich um einen ziemlich durchgeknallten Traum handeln muss. Und dieser Traum besteht aus unterschiedlichen Prozeduren, die von unserer Protagonistin durchgestanden werden müssen. Sie reichen von eigentümlichen Schminkmethoden bis hin zum Kräftemessen durch Armdrücken und sollen letztendlich überprüfen, ob es sich bei ihr um eine potentielle Zaren-Tochter handelt, oder doch nur um die eines Fischers. Schon bald muss sie aber feststellen, dass es nur einen Weg aus diesem Traum gibt, für den sie sich wohlgemerkt nie bewusst entschieden hat. Und das ist, um es auf gut Wienerisch zu sagen, indem sie a schöne Leich abgibt.

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TZAREVNA SCALING macht sich über das vergangene, zaristische Russland lustig, sodass Michail Bulgakow wohl seine helle Freude damit gehabt hätte. Und gleichzeitig thematisiert der Film Klassen, Geschlechterrollen, sowie das Gefangensein in eben diesen und stellt sich damit zwischen die folgenden Stühle: Empowerment & Desillusion. Denn einerseits predigt TZAREVNA SCALING Individualismus und Selbstverwirklichung, aber andererseits, zeigt er geradezu gewaltsam auf, dass wir aus der sozialen Schiene, in die wir geboren sind, nur schwer wieder rauskommen. Inszeniert ist diese ästhetisch wunderschöne Ambivalenz derart bunt, schrill und poppig, dass man annehmen könnte, Regisseurin Bakhtiozina komme ursprünglich aus dem Musikvideo-Bereich. Die eindrucksvollsten Szenen schrammen an der Grenze des Musicals, wiewohl hier weniger gesungen, als zu wirklich fantastischer Musik getanzt und manchmal auch nur ein bisschen gewippt wird. Kostüm, Make Up und Setdesign werden darüber hinaus in keinem anderen Festivalfilm dieses Jahres so extravagant ausfallen. Ganz große Empfehlung für Freund*innen tramhapperten Kinos!
TZAREVNA SCALING gibt es ein einziges Mal, am 27.9. um 20:30 im schikaneder zu sehen. Hier geht's zu den Tickets!
Ein böser Spaß mit VICIOUS FUN
Mit weniger Surrealismus, dafür mit umso mehr Augenzwinkern und Blutgespritze kommt die kurzweilige und sehr spaßige Slasher-Komödie VICIOUS FUN von Cody Calahan daher. Darin begleiten wir den Horrorfan Joel, der aus Eifersuchtsgründen dem neuen Gspusi seiner Mitbewohnerin Sarah in eine Bar folgt. Mit Diktiergerät (yes, it’s the eightees) und schlauen Fragen will er beweisen, dass dieser verheiratet ist, doch der Abend geht ganz anders aus. Wie genau, weiß Joel aber selbst nicht, denn am nächsten Morgen erwacht er mit Brummschädel in einem Hinterkammerl der Bar. Kurz darauf stolpert er in denselben Gemäuern in eine Selbsthilfegruppe für Serienkiller. Die Beteiligten halten ihn ebenfalls für einen solchen und schnell kommt Joel drauf, dass er – nach all den Informationen, die er bekommen hat – hier nur noch schwer wieder rauskommt und mitspielen muss.
Regisseur Calahan ist sich bewusst, wie sehr die 80er in den letzten Jahren von Genrefilmen und -serien ausgeschlachtet wurden und macht sich diesen Umstand mit respektvoller Ironie zunutze. Insbesondere die Tatsache, dass Horrorfilme aus diesem vergangenen Jahrzehnt nicht zwingend jede Idee zu Ende gedacht haben und Logikfehler eher verziehen wurden als heutzutage, wird unserem Protagonisten zum Verhängnis. Dieser gibt sich in der Serienkiller-Runde nämlich als mordender Taxifahrer aus und stellt damit seine eigene Drehbuchidee auf die Probe, nur leider erfolglos. Denn die plot holes in der Story werfen bei seinem (Haupt-) Gegenspieler die Frage auf, inwiefern es sein kann, dass er mit dieser Methode noch nicht aufgeflogen ist. Was folgt, ist viel Spaß, viel Blut und sehr viel ironisch angehauchter eightees vibe! Oder um es mit den Worten von Festivaldirektor Markus Keuschnigg zu sagen: Das ist Vicious Fun mit Gore Galore! Mahlzeit.
VICIOUS FUN gibt es nur ein einziges Mal im Rahmen der NACHT DER 1000 MESSER zu sehen. Und zwar zusammen mit dem taiwanesischen Zombie-Reißer THE SADNESS, der Horrorkomödie SUPERHOST und der sehr blutigen Slapstick-Action-Komödie SWEETIE, YOU WON'T BELIEVE IT! Zum Ticket (25€) geht's hier lang!

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