top of page
Suche

KINDERGEISTER UND SYNTHESIZER

EINE VORSCHAU AUF "DAS SCHAURIGE HAUS"


von Daniel Krunz

© SLASH Filmfestival


„Horror made in Austria“ ist längst nicht mehr ein Oxymoron im cineastischen Vokabular, doch spätestens in den letzten Jahren sicherte sich das Land der Berge einen wohlverdienten Fixpunkt auf der Weltkarte. Namen wie Veronika Franz, Severin Fiala und Dominik Hartl stehen mittlerweile für heimischen Horror, der weit über die Landesgrenzen hinaus Anerkennung findet. Und nach augenzwinkerndem Zombie-Trash, poppigen Teenie-Slashern und gediegenen Arthouse-Schockern zählt sich nun auch ein familienfreundliches Gruselabenteuer in die Riege österreichischer Genrefilme der schrecklichen Art. „Das schaurige Haus“, die zweite Regiearbeit von Daniel Geronimo Prochaska spielt in eben diese Nische und kommt mit einer hohen Wertschätzung für die Traditionskette, in die sie sich reihen will, daher.


Der wuselnde Gruselfilm feiert am 26.09.2020 seine Weltpremiere beim SLASH-Filmfestival. Wir durften ihn schon vorab sehen und der Kinosessel wurde zur Zeitmaschine in eine nostalgisch geliebte Zeit.


Fish out of water vom Feinsten: Der sechzehnjährige Hendrik fühlt sich fremd in seiner neuen Heimat. Der harte Wechsel von der deutschen Großstadt in ein Kärtner Bergdorf, in das er samt verwitweter Mutter und kleinem Brüderchen zieht, kocht die obligate pubertäre Widerstandshaltung auf, doch neben der neuen Umgebung, birgt vor allem das neue Eigenheim fremdartige Wesen. Als ob sich der mürrische Teenager nämlich nicht genug mit Heimweh, Sprachbarrieren und dem örtlichen Bully quält, treten auch noch ganz buchstäbliche Plagegeister auf den Plan, denn durch das titelspendende schaurige Haus spuken die Seelen zweier Buben, die hier einst lebten, bis sie offenbar von der eigenen Mutter vergiftet worden, ehe sich diese selbst das Leben nahm. Gemeinsam mit neuen Verbündeten erforscht das diesseitige Brüderpaar nun das Schicksal des jenseitigen und kommt dunklen Dorfgeheimnissen auf die Spur.


The Goonies, Explorers, Monster Squad…


Die 80er haben uns gelehrt, dass in jedem Kind ein Held steckt. Die Leinwandabenteuer dieser investigativen Rasselbanden lösten seinerzeit einen Trend aus, der den Charakter des Kinder- und Jugendfilms dieser Dekade ganz wesentlich prägte. Besagte Werke genießen bis heute ungebrochenen Kultstatus und die Spielart erlebte im Zuge der Retrowelle, die im vergangenen Jahrzehnt über die Medienlandschaft schwappte, eine glorreiche Renaissance.

Anders als seine jüngsten Wiederbelebungen, wie etwa „Stranger Things“ (2016) und „Summer of 84“ (2018), die ihre Handlungen in die Blütezeit des Trends verlegen, ist „Das schaurige Haus“ jedoch in der Gegenwart angesiedelt, übertreibt es aber nicht mit Elementen des aktuellen technokulturellen Stands und lässt die Ermittlungsarbeit über traditionelle Medienkanäle wie Bücher, analoge Fotografien und die gute alte Geisterbesessenheit fließen. Die Brücke zur Vergangenheit schlägt die Tragödie, die sich in besagtem Referenzjahrzehnt ereignet hat, aber auch ein schrecklich schrulliger Nebencharakter, der in der Zeit hängengeblieben ist und alleine genug Retro-Vibe mitbringt, um damit den ganzen Film zu füllen. Da werden dunkle Keller mit Taschenlampenkegeln illuminiert und Super 8 Projektoren angeworfen, wenn die Kids den buchstäblichen Geist der 80er beschwören. Dass sie dabei von einem an gespenstisch pfeifenden Wind gemahnenden Synth-Score begleitet werden, gehört zum guten Ton und muss wohl nicht extra betont werden.


Generationenübergreifender Grusel


Das Zielpublikum von „Das schaurige Haus“ ist klar definiert, doch neben der jungen Generation spricht es eben auch die Altersklasse ihrer Eltern an, die mit den Referenzwerken aufgewachsen sind und erfüllt somit alle Bedingungen eines Familienfilms. Die durchaus düstere Prämisse, die der Erzählung zugrunde liegt, wird überaus kindgerecht aufbereitet und kommt als gut gewürzte, doch leicht verdauliche Genrekost daher.


Die Drehbuchadaption des gleichnamigen Jugendromans aus der Feder von Martina Wildner, präsentiert sich mit einigen Abweichungen von der Vorlage, verlegt die Handlung nach Österreich und kleidet sie in das neonfarbene Retrogewand seiner stilistischen Vorläufer. Im Zuge dessen klappert der fertige Film dann alle Stationen ab, die das Genre erfordert und versammelt freilich auch den notwendigen Figurenstab: der verträumte Wuschelkopf, der ältere Bruder, der liebenswerte Nerd, das warnende Orakel und natürlich ahnungslose Erziehungsberechtigte. Neben den modernen Klassikern, die seinen Stil inspirieren, beschwört Prochaska aber gleichzeitig, in teils recht direkten Zitaten, auch den Geist von Tom Sawyer, dem Prototypen des kindlichen Detektivs. Im Einklang mit diesen Quellen, liegt der Fokus auch weniger auf dem Aspekt der paranormalen Heimsuchung, als auf der investigativen Forschungsarbeit, derer sich die Kids annehmen, um die Wahrheit über das schaurige Haus in Erfahrung zu bringen. Gruselszenen sind sehr wohl vorhanden, doch mit genug Zwischenräumen auf das Geschehen aufgeteilt und stets mit dezenter Behutsamkeit gestaltet, um das junge Publikum nicht zu verstören. Dabei sind diese Momente aber durchaus stimmungsvoll geworden und lassen stets auf mehr hoffen, zumal sie so plötzlich sie aufflackern, wieder verschwinden. Doch nicht falsch verstehen: Aus diesem Wunsch spricht klare Anerkennung für Prochaskas inszenatorisches Geschick, das einiges verspricht, oder um es so zu sagen: „Da geht noch was!“. Vielleicht murrt hier aber nur jemand, den Filme wie „The Goonies“ durch die Kindheit begleiteten und zeigten, dass man Kindern doch einiges zumuten kann, ohne sie dabei auf Lebenszeit zu traumatisieren.


Doch sobald der Vollmond über dem verwitterten Dorffriedhof leuchtet, sprich, am Ende des Tages, bleibt genug Herzlichkeit übrig, um dem Film für seine vermeintlichen Versäumnisse nicht böse zu sein. Für den jungen Teil des Publikums ist das Gruselabenteuer zweifellos ein packendes Erlebnis, das zugleich mit genügend Humor akzentuiert ist, um nicht zu überfordern und herzerwärmende Botschaften sendet. Die Empathie, die die jugendlichen Protagonisten für die rastlosen Kinderseelen hegen, würde man sich beim Blick auf ganz reale Schreckensnachrichten der Gegenwart, von so manchem Erwachsenen wünschen. Kinder sind die Zukunft und in diesem Fall auch die Vergangenheit.

bottom of page